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Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

 

Zur Mozart-Interpretation

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Das sog. Strassburger Konzert G-Dur, KV 216

Mozarts fünf Violinkonzerte entstanden 1773-75 in Salzburg, während er als Konzertmeister in fürsterzbischöflichem Dienst stand. Das Konzert G-Dur KV 216 wird "Strassburger" Konzert genannt, weil der dritte Satz ein Strassburger Volkslied aufnimmt. Im Herbst 1777 schrieb Mozart dem Vater aus Paris: "Beim Soupée spielte ich das strasbourger-Concert. Es ging wie Öhl, alles lobte den schönen, reinen Ton."  



Über das "alla turca" im Rondo des Violinkonzerts KV 219

Es war die türkische Militärmusik, die sog. "Janitscharenmusik" welche in die westliche Kunstmusik gewirkt hat. Die Janitscharen waren eine türkische Elitetruppe, die ab 1329 ursprünglich aus christlichen Kriegsgefangenen bestand, die sich zum muslimischen Glauben bekehren liessen. Ergänzt wurde diese Truppe ab 1360 bis 1675 durch die sog. "Knabenlese": Das türkische Militär nahm im Balkan bei den christlichen Familien die stärksten und gescheitesten Knaben weg und erzog sie im muslimischen Glauben zu Soldaten. Die Janitscharen trugen hohe graue Filzhüte. Die Janitscharenmusik - auf türkisch "Mehter" genannt - marschierte ursprünglich zu Fuss und bestand aus Oboen, Trompeten, grossen Trommeln, kleinen Doppelpauken, Becken und Schellenbäumen. Bei voller Besetzung (nur für den Sultan) hatte es von jedem Instrument neun Stück. Niedrigere Würdenträger hatten nach Rang weniger Instrumente zu gut. Die Janitscharen wurden 1826 abgeschafft.

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Aber die Janitscharenmusik wurde in Istanbul wiederbelebt, tritt historisch kostümiert regelmässig im Militärmuseum auf: Über einem recht stereotypen Rhythmus von Pauken, Becken und Schellenbäumen spielen die Oboen und Trompeten immer nur einstimmige, recht einsilbige und oft repetitive Melodien in den charakteristischen orientalischen Tonarten. Der behäbige Rhythmus ist durch die eigenartige ordonnanzmässige Gangart der Truppe festgelegt (>>Sound).

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Nach der misslungenen zweiten  türkischen Belagerung von Wien (1693) und dem Frieden von Karlowitz 1699 brachte die türkische Botschaftsdelegation die Janitscharenkapelle samt Tanzgruppen, Schattenspielern und Seiltänzern mit, um in Leopoldstadt tagelange Festspiele zu zelebrieren. Damit hielt das stets homophone "alla turca" Einzug ins "polyphone Europa": Man versuchte, den charakteristischen Klang der Janitscharenmusik mit herkömmlichen Instrumenten zu imitieren oder man erweiterte sogar das Orchester mit türkischen Schlaginstumenten. Am Anfang des 19.Jahrhunderts erschienen Klaviere mit "Janitscharenzug", der gleichzeitig Paukenschlag und Schellenbaum imitiert. "Türkisches" kommt schon bei Rameau am Anfang des 18.Jh. vor, dann auch in den sog. Türkenopern Glucks, nämlich in "Iphigenie auf Tauris" (1764) und "Die Pilger von Mekka" (1779). Bei Mozart erscheint das "alla turca" erstmals in der frühen Symphonie KV 74, 1770, dann natürlich in der "Entführung". Auch Haydn, Beethoven und Spohr haben "alla turca" geschrieben.

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Im Mozart'schen Geigenkonzert KV 219 beginnt das Rondeau im "Tempo di menuetto" sittsam und elegant, wie Smalltalk und Flirt im Salon. In die heile abendländische Kunstwelt bricht orientalische Militärmusik ein: Das Material ist ein Fremdkörper, denn es ist Mozarts früher geschriebener Ballettmusik "Le gelosie del seraglio" (KV135a, Mailand 1772) entnommen. Der Takt passt nicht zum Menuett, der Rhythmus ist hypnotisch-gleichförmig, die Melodien einsilbig, repetitiv und fremd. Celli und Bässe machen "con legno" den Effekt von türkischen Pauken. Und die Sologeige soll wohl eine Oboe vorstellen, mit etwas näselnd geraden oder gequetschten Tönen und wenig Vibrato. Mozart stellt einen Kulturgegensatz dar, der aufgrund der jüngeren weltgeschichtlichen Ereignisse wohl noch für einige Zeit aktuell bleiben wird. (L.L.)

 

Sonate für Klavier und Violine B-Dur, KV454

1. Largo - Allegro
2. Andante
3. Rondo - Allegretto

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Mozart schrieb diese Violinsonate für die italienische Geigerin Regina Strinasacchi, die schon mit 16 Jahren ihre erste Konzertreise durch Europa unternommen hatte. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb in einem Brief an Vater Leopold vom 24.April 1784: “Hier haben wir nun die berühmte Mantu­anerin Strinasacchi, eine sehr gute Violinspielerin; sie hat sehr viel Ge­schmack und Empfindung in ihrem Spiele. – Ich schreibe eben an einer Sonate, welche wir Donnerstag im Theater bey ihrer Akademie zusammen spielen werden.” 

Mozart war in dieser Zeit sehr beschäftigt und schrieb deshalb die Sonate in grosser Eile. Es war damals üblich, die Violin- und Klavierstimme zusammen auf die gleichen Blätter zu schreiben. Der Geiger schaute dem Pianisten beim Spielen über die Schulter. Bei der Aufführung war aber nur die Geigenstimme geschrieben, der Patz für die Klavierstimme war noch leer und Mozart spielte auswendig. Man erzählt, dass der im Publikum an­wesende Kaiser Joseph II dies mit dem Opernglas festgestellt habe und den Komponisten nach dem Konzert zu sich bitten liess, mit der Aufforderung, die Noten mitzubringen. Wenn heute oft erwartet wird, dass auswendig gespielt wird, so erweckte damals das Fehlen von Noten noch Befremden. Das Autograph von Mozart ist erhalten. Man sieht noch, dass die nachträglich eingeschriebene Klavierstimme stellenweise kaum Platz hat, Mozart musste dort die Noten ganz klein und eng schreiben. 

Auch Vater Leopold Mozart war von dieser Musikerin fasziniert und schrieb an seine Tochter Nannerl: "Mir thut es leid, dass du dieses nicht große, artige, etwa 23 Jahre alte, nicht schändliche, sehr geschickte Frauenzimmer nicht gehört hast. Sie spielt keine Note ohne Empfindung, sogar bey der Synfonie spielte sie alles mit expression, und ihr Adagio kann kein Mensch mit mehr Empfindung und rührender spielen als sie; ihr ganzes Herz und Seele ist bey der Melodie, die sie vorträgt; und eben so schön ist ihr Ton und auch Kraft des Tons. Überhaupts finde ich, dass ein Frauenzimmer, das Talent hat, mehr mit Ausdruck spielt, als eine Mannsperson. NB Sie ist die nämliche Strina­sacchi, bey deren Accademie dein Bruder in Wienn nicht nur ein Concert spielte, sondern ihr ein Duetto zu eben dieser Accad: componierte mit Cembalo e Violino.” Nach dieser Briefstelle wär die Sonate also ursprünglich für Cembalo komponiert. Da dieses weniger lang nachklingt als ein moderner Flügel ist es denkbar, dass eher rascher gespielt wurde als wir uns heute gewohnt sind. 

Klassik kann so langweilig sein. Aber zusammen mit Polina Leschenko haben wir Mozarts Violinsonaten als surrealistische Opern aufgefasst, mit vielen verschiedenen und pointierten Charakteren. An einer Stelle hören wir sogar die krächzende Stimme von Ivry Gitlis Papagei. (Ivry Gitlis hat zwar keinen Papagei, aber im Sur­real­ismus geht alles). Und wenn man der Dramatik dieser Musik nicht ausweicht wird plötzlich die Nähe zu Beethoven spürbar.



Duo für Violine und Viola No1 G-Dur, KV 423

1783 kam Mozart mit Constanze für einige Monate nach Salzburg, um seine 1782 geheiratete Frau dem Vater vorzustellen. In Salzburg traf er auch den ihm befreundeten jüngeren Bruder Haydns Michael. Dieser war dem Glase mehr als zuträglich zugetan und zudem krank, sodass er zwei von sechs durch den Salzburger Erzbischof Colleredo in Auftag gegebene Duos für Violine und Viola nicht fertigstellen konnte. Mozart half mit den Duos KV 423 und 424 aus. Ob der Erzbischof wohl gemerkt hat, was für Meisterwerke er da erhalten hatte? (L.L.)


Trio Es-Dur KV 498 (Kegelstatt) für Klarinette, Viola, Klavier

Die alte Mozart - Literatur hat die Anekdoten um das Kegeln bei Mozarts Komponieren des Trios KV 498 hartnäckig kolportiert. Es gibt aber nirgendwo eine Quelle, die diesem Trio eine Kegelpartie "unterschieben" könnte. Lediglich die einfachen Duos für Hörner (oder Bassetthörner) hat Mozart laut ihm selbst "untern Kegelschiebn" geschrieben. Was bleibt also beim "Kegelstatt - Trio" vom Kegeln übrig? Nichts als der Name. Man kann spekulieren, ob Mozart "an Kegelns statt" zum Komponieren genötigt war. Es ist ganz sicher, dass Mozart sich die Klarinette seines Freundes Anton Stadler ganz genau angeschaut hat. Die Behandlung der Klarinette im Kegelstatt-Trio, wie übrigens in allen anderen Kompositionen Mozarts auch, schöpft die Vorteile, und eben nur die Vorteile der Klarinette dieser Zeit vollends aus. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Klarinette damals ein völlig neu zu entdeckendes Instrument war. Die Bratsche und das Klavier waren Mozart bestens bekannt, hatte er doch beide Instrumente selber gespielt (Stephan Siegenthaler).

Hildesheimer schildert trefflich, wie Mozart als Devotionalie oder gar  schwärmerischer Religionsersatz (Kierkegaard) dienen konnte. Und es gibt genug Interpretationen im Stile der süsslich-farblosen Gipsbüsten, die im Musikalienhandel zu kaufen sind (Bild).  Aber Mozarts derbe Briefe sprechen eine andere Sprache  und über Wolfgang Amadeus Geigenspiel schrieb Vater Leopold in einem Brief vom 12.2.1778: "In Wallerstein machtest Du ihnen tausend Spass, nahmst die Violin, tanztest herum und spieltest, sodass man dich als einen lustigen, aufgeräumten, närrischen Menschen denen damals abwesenden anpries...".  Die Mozart'schen Geigenkonzerte sind spürbar von der Vokalmusik beeinflusst und man kann den Standpunkt vertreten, dass sie lebhaft, opernhaft, mit kontrastreich abwechselnden und teils kantigen Charakteren gespielt werden müssen.

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