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György Ligeti (1923-2006)

 

György Ligeti wurde am 28.5.1923 als Sohn ungarisch-jüdischer Eltern in Dicsöszentmárton (heute Tîrnaveni, Siebenbürgen/Rumänien) geboren. Von 1941 bis 1943 studierte er bei Ferenc Farkas am Konservatorium in Klausenburg, von 1945 bis 1949 an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest bei Sándor Veress, Pál Járdányi und Lajos Bárdos. Nach der Niederschlagung des Aufstandes in seiner Heimat verließ er im Dezember 1956 Ungarn aus politischen wie künstlerischen Gründen. Seine Musik steht in der Tradition von Bartok und Veress, ist aber gleichzeitig  sehr experimentell: Für fast jedes seiner Stücke hat Ligeti eine neue individuelle Form und Tonsprache gefunden.


 

Violinkonzert (1990/92)

Das Violinkonzert von György Ligeti ist vielleicht das spannendste Violinkonzert seit Beethoven. Es ist das Konzert, das ich am liebsten spiele.

Ligeti verwendet ein Orchester von nur 25 Musikern, um einen ungeheuer reichen und konzentrierten Inhalt darzustellen. Das Instumentarium reicht von den 15000 Jahre alten Okarinas, über die asiatische Lotusflöte bis zu den modernen Orchesterinstrumenten mit viel Perkussion. Das komponierte Material macht Anleihen bei der mittelalterlichen Notre-Dame-Schule, bei Renaissance- und Barockmusik, bei javanischer Harmonik oder bei ungarischer und bulgarischer Folklore. Die Okarinas sind bewusst verstimmt und die Streichinstrumente werden teils in Skordatur eingesetzt um mit Flageoletten neuartige Klangeffekte ausserhalb des abendländischen Tonsystems zu erzeugen. Die Rhythmik ist äusserst komplex mit oft mehreren gleichzeitig nebeneinander ablaufenden Rythmen. Die Stimme der Solovioline ist extrem virtuos geschrieben, aber eigentlich stehen die Orchesterstimmen der Solovioline vielerorts an Virtuosität nicht nach. Das ganze ist ein kompliziertes und virtuoses Puzzle, das in seiner Gesamtheit einen höchst farbigen, gleichzeitig fremdartigen und doch vertrauten, manchmal flimmernden und manchmal schwebenden Höreindruck erzeugt, der nie verleidet und bei wiederholtem Spielen sogar immer mehr gewinnt.

Ich hatte im Oktober 2011 das Privileg, dieses Konzert mit dem Ensemble Modern und Peter Eötvös für Naive einzuspielen, d.h. mit der gleichen Truppe, mit der Saschko Gawriloff 1992 die definitive Fassung des Konzerts uraufführte, damals im Beisein und unter Mithilfe Ligetis.


 

Concerto romanesc (1951)

Über das "Concerto Romanesc" schrieb Ligeti im September 2000: "Ich hielt mich 1949/50 in Rumänien auf, studierte am Folklore-Institut in Bukarest, dann nahm ich teil an mehreren Reisen zum Aufzeichnen von teils rumänischer, teil ungarischer Volksmusik (in Covasint, bei Arad und in Inaktelke im Kalotaszeg-Gebiet, nahe Klausenburg). Das vorliegende viersätzige Orchester-Konzert (mit Streicher- und Bläser-Soli) basiert auf einer Vielzahl rumänischer Volksmelodien, die ich aufgezeichnet habe, doch stammen sie überwiegend von Wachsrollen und Schallplatten aus dem Bukarester Folklore-Institut. In Covasint habe ich dagegen die gängigen harmonischen Wendungen der rumänischen Bauernmusik kennengelernt, die ich stilisiert im "Konzert" verwendet habe. Diese Orchesterkomposition war eines der "Camouflage-Stücke", als Ausweichen (1951) vor der aufoktroyierten Diktatur des "Sozialistischen Realismus". Obwohl einigermaßen konform, entpuppte sich das Stück als "politically incorrect" infolge einiger verbotenen Dissonanzen (z.B. fis innerhalb von B-Dur). Für den heutigen Hörer ist es kaum nachvollziehbar, dass solche milden tonalen Scherze als staatsgefährdend deklariert wurden. Das "Concert Romanesc" spiegelt meine tiefe Liebe zur rumänischen Volksmusik und zur rumänischsprachigen Kultur schlechthin wider. Das Stück wurde sofort verboten und erst viele Jahrzehnte später aufgeführt".


 

Horntrio (1982)

1. Andantino con tenerezza
2. Vivacissimo molto ritmico
3. Alla Marcia
4. Lamento: Adagio

 

Ligetis Horntrio entstand 1982 im Auftrag von Sponsoren anlässlich von Johannes Brahms 150. Geburtstag. Ligeti wollte sein Horntrio als "Hommage à Brahms" verstanden wissen. Brahms' Horntrio op. 40 diente als Vorbild nur bezüglich Besetzung, nicht aber in Material oder Form.

Ligeti arbeitet in seinem Horntrio mit prägnanten thematischen Gestalten und er greift auf traditionelle Formmodelle zurück. Der erste und dritte Satz sind als dreiteilige Liedformen angelegt, während der durchführungsartige Teil des zweiten Satzes an den Sonatensatz denken lässt. Der vierte Satz ist eine Passacaglia, wobei das Gerüst von einem fünftaktigen Harmoniemodell gebildet wird, das jedoch im Verlauf des Satzes immer stärker überwuchert wird, bis es sich schliesslich auflöst.

In Avantgarde-Kreisen wurde Ligetis Horntrio als neokonservativ kritisiert. Ligeti selbst betonte dessen Modernität: "Mein Trio ist im späten zwanzigsten Jahrhundert entstanden und ist – in Konstruktion und Ausdruck – Musik unserer Zeit".

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